das wahre leben 2

ich schrieb wieder. an dem stück. mit ihr sprach ich nicht mehr darüber, warum auch, sehr viel hatten wir diesbezüglich nicht miteinander gemein. und dann meine beleidigte eitelkeit, immer wieder das gleiche problem. aber ich verspürte keinen hass, sondern nur indifferenz, gegenüber allem: gegenüber meinen täglichen pflichten, gegenüber ihr, gegenüber meinem hobby, gegenüber allem – außer vielleicht dem wetter.

als ich eine schreibpause einlegte und versuchte, spazieren zu gehen, schlug mir ein eisiger wind entgegen, als ich die tür öffnete. ich ging trotzdem: wind sollte mich nicht aufhalten. die böen waren typisch, besonders schlimm war es in den dicht bebauten straßen der vorstadt, die anfang des 20. jahrhunderts erbaut worden war: 4 stockwerke damaliger stockwerkshöhe auf beiden seiten der straße: ein windkanal.
mich fror, trotz langer lederjacke, schal, handschuhen und alibirussenmütze. kein wunder, das kaum menschen auf der straße waren.

kurz vor der altstadt fand ich ein kleines café, ich war noch niemals dortgewesen, hatte nie etwas darüber gehört – ich verkehrte aber auch nicht in café-klientel – es sah gemütlich aus. “eine heiße schokolade und ein stück käsekuchen, bitte.”
das getränk und der kuchen waren vorzüglich, sogar die bedienung war freundlich, selbst zu mir, obwohl ich nicht der einzige gast war (wobei es noch genug freie plätze gab) – das geschah nicht oft, aber vielleicht hatte ich ja auch ein missachtungsproblem. das beste aber war: ich konnte von meinem platz die aussicht auf den see genießen, der die altstadt umfing. blätter von den bäumen fallen sehen, einzelne fixieren, das segeln, das auf-und-ab betrachten. und noch besser als “am besten”: menschen beobachten. nicht viele, aber doch einige. innerhalb wie außerhalb.

für mein stück war das zwar nicht hilfreich, da weitestgehend dialogfrei, aber ich genoß es, mal “normale” menschen zu sehen, nicht immer nur studiosi, unterschiedliche menschen, mittelklasse, gehobene mittelklasse, mittelunterklasse, alte omas mit ihren maximal grundbeschulten enkeln, ein junges paar, mehrere ehepaare verschiedener alter. die musik war – zu meiner freude – klassisch – die realistischen alternativen wären allesamt schlechter gewesen. bis auf jazz, aber.. das hätte nicht in diesen laden gepasst, allenfalls ein langamer swing, unter umständen..

nach einer guten halben stunde zahlte ich und ging, durch die stadt, trotz des windes, gestärkt.

ein wunderbarer tag.