Ein Sündenbock namens Lafontaine

Eigentlich reicht die Überschrift, denn als dieser Beitrag zeitlich angebracht gewesen wäre, sah ich mich nicht in der Lage, ihn zu verfassen. Es geht um “Jamaica“, welches sich jetzt nicht mehr in der Karibik herumtreibt, sondern wohl im beschauliche Saarland gestrandet ist – warum auch immer. Warum auch immer? Das Diktum ist, dass man mit der Linkspartei nicht sicher zusammenarbeiten kann. Und dann natürlich dieser Lafontaine. Und diese Spaniol.

Und damit sind wir bei einem Problem, dass kein Saarländisches ist (sonst würde es mich auch zugegebenermaßen peripher tangieren), sondern ein Deutsches. Personen werden über Inhalte gestellt. Und Diskurs gilt als schändlich, insbesondere innerparteilich.

Während der erste Punkt wohl keiner großen Erklärung bedarf, befürchte ich, dass dies beim zweiten Punkt nicht so ganz der Fall ist.

Schauen wir uns mal die Rezeptionen auf innerparteilichen Diskurs in deutschen Medien an, etwa am Beispiel SPD – man muss nicht lang schauen, um zu begreifen: Es wird Geschlossenheit gefordert, ein Ende der Diskussionen erbeten – so aber kann Demokratie auf die Dauer nicht funktionieren, denn es kann nicht sein, dass eine Horde wildgewordener Funktionäre der so genannten Basis den Kurs diktiert – nach dem alten, ekelhaften, deutschen Prinzip “Führer befiehl, wir folgen dir” mag man zwar Völkermorde organisieren können, aber nicht eine funktionierende Demokratie, denn eine solche “Demokratie” vergisst vor der eigenen Basis, die vielleicht noch den ein oder anderen Schwenk aus Nibelungentreue mitmachen mag, den eigentlichen Souverän und sorgt letztlich dafür, dass der Wähler sich irgendwann allein gelassen fühlt und am Wahltag zuhause bleibt – bis ihn dort die ein oder andere Gruppierung abholt.

Letztlich bleibt dann am Ende nur ein Aufruf: Pflegt den Diskurs. Widersprecht der Meinungsmache, dass Diskurs “mangelnde Geschlossenheit” bedeutet. Und hört bei dem ganzen Personalblödsinn einfach nicht hin.

Denn anders hört dieser Unsinn niemals auf.

Nach der Wahl.

Der gestrige Wahlabend hat zwei Ergebnisse geliefert, dass ich sehr erhofft habe. Das Ende der “Großen Koalition” und eine deutliche Wahlniederlage für die SPD.

Nicht, dass ich ein Freund von Schwarz-Gelb bin, nein, wirklich nicht. Aber gerade deswegen freue ich mich darüber, dass CDU/CSU und FDP nun beweisen dürfen, was sie können – nichts ist schädlicher in Sachen Wählergunst, als schlechte Regierungsarbeit. Und diese ist nicht unwahrscheinlich, die FDP muss etwa beweisen, dass ihre Bürgerrechtspositionen nicht nur Staffage sind – und die CDU/CSU wird keine zu neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik fahren dürfen, sonst erwacht der Politikzombie SPD doch noch einmal – oder die Linke ist bei der nächsten Bundestagswahl jenseits der 20%-Marke. Man muss das Regierungsprogramm und die Besetzung des Kabinetts abwarten, um hier mehr Aussagen treffen zu können, bis jetzt kann man nur sagen: Schwer wird es auf jeden Fall. Geschenke kann man keine verteilen, die Kassen sind leerer als leer und wenn dann bald (wie gelegentlich gemunkelt) die Arbeitslosenzahlen steigen… Die Regierungsarbeit in dieser Legislaturperiode ist nicht gerade das, was man als angenehme Aufgabe bezeichnet.

SPD. Oder sPD? Egal, wenn diese Partei weiter so verliert, muss sie in einem Jahrzehnt trotz all ihrer Tradition vielleicht das Schicksal der Zentrumspartei teilen, die Bedeutungslosigkeit. Nur wie kann die SPD es schaffen, ihre Wählerschaft – mal ausgehend davon, dass die -5% Wahlbeteiligung vor allem aus enttäuschten, ehemaligen SPD-Wählern besteht – wieder zu gewinnen? Lag es an der fehlenden Machtoption? Resignierten SPD-Wähler vor der Demoskopie? Oder haben sie die Politik ihrer arroganten Führungsebene nur reichlich satt? Und hätte man mit Kurt Beck noch schlechter abgeschnitten? Was soziale Politik angeht, wird die Linke die SPD weiter vor sich her treiben – und wenn es der Linken gelingt, sich personell im Westen zu stabilisieren und zu profilieren (vielleicht auch mit enttäuschten Ex-SPD-Anhängern), hat sie auf diesem Gebiet wirklich nicht viel zu holen, sobald der deutsche Michel begreift, dass “Die Linke” sich nicht nur aus bösen Kommunisten zusammensetzt.
Aber wohin? Sich zur Bürgerrechtspartei aufschwingen? Da sind FDP und Grüne stärker. Umwelt? Kurzum: Die SPD ist von allen Seiten bedrängt, auch ein längst überfälliges Abwerfen der “Schröderianer” und Seeheimer, die in dieser Partei nach wie vor das Sagen haben, wird nicht automatisch einen leichten Weg bereiten – und da ein Steinmeier sich vorgenommen zu haben scheint, zu bleiben und ein Müntefering sich vielleicht dann doch aufs Altenteil zurückzieht, um nicht irgendwann mit der vergreisten Führungsriege des untergegangenen, anderen, deutschen Staates verglichen zu werden.

Insgesamt müssen beide Volksparteien, von der die eine seit gestern im Bund keine mehr ist, genau analysieren, wo sie verloren haben und weshalb und versuchen, jene Themengebiete, die sie übersehen haben, wenigstens ansatzweise auch besetzen – wenn sie Volksparteien bleiben wollen. Denn machen wir uns da nichts vor: Die Union muss in dieser Koalition aufpassen, dass ihr eine aufgrund des Wahlergebnisses sehr starke FDP nicht die Butter vom Brot nimmt. Kann die FDP bei der nächsten Bundestagswahl ihr Ergebnis annähernd halten oder gar ausbauen, müssen die Unionsparteien um ihren Volksparteienstatus fürchten, den sie auch jetzt nur noch haben, solange man die Wahlbeteiligung außer Acht lässt.

Das, was vorher sicher war, ist eingetreten. Angela Merkel ist alte und neue Kanzlerin, die FDP ist aufgrund der sozialdemokratisierten CDU/CSU bei den Zweitstimmen gewachsen, wovon letztlich auch die CDU dank der unseligen Überhangmandate profitiert, die Piraten haben den Einzug nicht geschafft.

Die Zukunft bleibt spannend.

Ich habe gewählt.

Ich habe gewählt. Was, werde ich nicht verraten, wer mich kennt, kann es ahnen und es ist ja nur eine Stimme von vielen. “Was wohl bei dieser Wahl herauskommt?”, frage ich mich und schalte das Fernsehprogramm ein. Im “Ersten” kommt “So liebt und küsst man in Tirol”, ein westdeutscher Heimatfilm aus 1961. Adenauerzeit. Ist das der letze Teil des Wahlkampfes? Oder soll das die Senilen von der Wahl fernhalten? Nein, die haben schon längst gewählt. Was bleibt ist das Gefühl, das ich ein anderes Programm besser fände – und der dumpfe Gedanke, dass dieses Fernsehprogramm genauso symptomatisch für die digitale Spaltung dieser Gesellschaft ist, wie all diese Differenzen zwischen netzbasierten und konventionellen Umfragen im Vorhinein.

Warten wir ab, was der Abend bringt. Vermutlich ja eine Bundeskanzlerin Angela Merkel, aufgrund der Ausschließeritis im Vorfeld der Wahl. Da ist Schleswig-Holstein noch interessanter..

Notiz zu Proust

Gestern habe ich es endlich geschafft, Marcel Prousts “In Swanns Welt” fertig zu lesen – ich habe wohl noch nie solange an einem Buch gelesen, wie an diesem – und wenn ich wirklich die ganze “À la recherche du temps perdu” lesen will, liegen noch ein paar Kilo Buchseiten vor mir. Und ich gebe zu: Ich habe mich schwer getan, habe zwischenzeitlich das ein oder andere Buch gelesen (zwei Bücher von Kerouac, drei von Auster und weitere..) – insbesondere die ersten Seiten, die detailreiche Beschreibung des eher monotonen, ereignisarmen Lebens in “Combray”, haben mir, noch nicht gewöhnt an die Proust´schen Satzlabyrinthe, Nerven geraubt und bestenfalls Ermüdung verschafft.
Aber: Ich spiele sogar mit dem Gedanken, mein Französisch aufzufrischen, um durch die originalen Satzlabyrinthe (am Besten in einer Studienedition mit Vokabular) zu irren.
Etwas besseres kann man wohl kaum über ein Buch sagen…

Wahlkrampf II

Wenn ein Kampf länger tobt, aber noch nicht so lange, dass die Gegner kampfesmüde sind, sondern gerade die Aggressivität so richtig da ist, dann kann es sein, dass Dinge passieren, wie sie Mike Tyson mal passiert sind: Man geht ein bisschen zu weit.

Ähnlich scheint es auch mit dem Wahlkampf. Nicht, dass die Politiker sich prügeln würden, geschweige denn beißen – das ginge ja noch, und egal wär da ein blaues Auge mitnehmen würde, es wäre doch fast immer “der Richtige”. Nein, man macht das alles schön medial. Und da einem nicht sonderlich viel einfällt, da man selbst mehr eine inhaltsleere Worthülse ist als irgendetwas sonst, wiederholt man einfach den Scheiß, den man vor Jahren schon erzählt hat. Etwa, das Gregor Gysi aus der DDR stammt und Mitglied der SED war. Und schlecht ist das ja nicht, Wiederholung wirkt ja, wie die Leute, die sich mit so Sachen beschäftigen (Medienwissenschaftler, Psychologen usw) in diversen Studien festgestellt haben.

Anders ist es auch nicht zu erklären, warum die FDP in Zeiten einer Wirtschaftskrise in Umfragen dazugewinnt. Jahrelang hat man die gleichen Positionen vertreten. Was die Bürgerrechte angeht, eher verbal (siehe die Innenpolitik in Hessen oder Sachsen), was die Wirtschaftspolitik angeht, hat man partiell Regierungen aus der Opposition vor sich hergetrieben, sofern das nötig war. Klarer: FDP, CDU/CSU, SPD und Grüne tragen alle die Verantwortung dafür, dass die HRE überhaupt so einen Bockmist anrichten konnte. Aber lassen wir das, ich willl auf etwas anderes heraus: Wenn man es schafft, sich so darzustellen und darstellen zu lassen, als wäre man wirtschaftspolitisch kompetent, dann wirkt das nach und man kann den größten Unsinn fordern, den man sich vorstellen kann. Etwa Steuererleichterungen versprechen in Zeiten einer staatlichen Rekordverschuldung – Vollgas in den Bankrott, und dabei weiter die Staatsquote senken. Weiter den Staat billiger machen. Auf deutsch: Weniger sichere Arbeitsplätze. All das klingt gut, unter anderem weil Interessenverbände solchen Worten eine schöne Symphonie unterlegen. Aber letztlich ist es nicht vernünftig, denn, stellen wir das mal fest: Ein Nachtwächterstaat, der dazu noch pleite ist, kann seine Bürger nicht schützen. Kann nicht für ein gutes Bildungssystem sorgen. Kann soziale Ungerechtigkeiten nicht abfedern. Et cetera, perge, perge.

Schlimmer als die Konzepte ist dann nur noch die Rhetorik. “Wir oder Kommunismus, dass ist hier die Wahl”, jedenfalls nach Meinung der Rotzgelben. Natürlich ist das Blödsinn. Es gibt keine Kommunistische Partei, die auch nur in der Nähe der 5%-Hürde ist. Gut, in der Linken gibt es die “kommunistische Plattform”, zugegeben. Aber da eine Alleinregierung jener Partei selbst in östlichen Bundesländern derzeit unmöglich ist, muss man sich da nicht die geringsten Sorgen machen, das wäre ähnlich absurd, wie aufgrund gewisser rechtskonservativer Kreise in der CDU gleich ernstlich das “Vierte Reich” zu fürchten.

Nun ja. Diffamierungen hat es schon immer gegeben und Schmierenkomödien waren im Propagandabusiness seit jeher an der Tagesordnung. Es ist eben Wahlkampf und da geht es nicht um Sachthemen, sondern um simple Überzeugung mit Kugelschreibern, Fähnchen und falschen Versprechen, ich will nur an die Ungleichung in der Mehrwertsteuersache nach der letzten Wahl erinnern: (2+0)/2=3
Oder um es mit Franz Müntefering zu sagen: “Es ist unfair Politiker an den Wahlversprechen zu messen.” Also, Ohren zu und durch. Auch wenn Westerwelle hundertmal den Kommunismus nach der Wahl verspricht, wenn die FDP nicht regieren sollte, es wird wohl nicht dazu kommen.

Wahlkrampf

Es kommt nicht mehr oft vor, das hier jemand was schreibt und es besteht die Chance, dass dies der letzte Beitrag auf dieser Seite ist. Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen.

In Berlin tobt die IFA, die die Welt mit neuem Elektronikschrott überschwemmen wird (und die Küsten Afrikas mit neuem Altem), während Deutschland aufgrund der heranrückenden Bundestagswahl mit Wahlplakaten überschwemmt ist. Wenn man in diesen Tagen durch Innenstädte geht, kommt es vor, dass man Menschen trifft, die einen in der Frage der eigenen Wahlentscheidung beeinflussen wollen, und auch wenn man diese meidet, gibt es reichlich offline-Adsense-Parolen, die, gäbe es keine Farben, kaum den einzelnen Parteien zuortbar wären.

Da ist etwa die Freie Demokratische Partei (die nicht frei sein will, sondern sich wie eine hässliche Braut den christlichen Unionsparteien an den Hals wirft, zwecks “Schwarz-Gelb”), die wohl den Mindestlohn einführen will, wirbt sie doch mit dem Slogan “Arbeit muss sich wieder lohnen”. Hakt man dann aber nach, etwa bei den netten FDP-Wahlkampfteams in den Innenstädten, wird man stattdessen mit Sprechblasen zugeschüttet, das man irgendwann, ermüdet, erschöpft und verwirrt weiterirrt, so wehrlos, dass es passieren kann in die Fänge der so genannten Sozialdemokraten zu geraten.

Die Sozialdemokraten könntem dem deutschen Wähler sympathisch sein, scheinen sie doch genauso verwirrt, wie der typische deutsche Wähler nur sein kann, nach dem er trotz “Arbeit muss sich wieder lohnen” bei den Freien Hasstiraden auf Mindestlöhne gehört hat. Woran ich diese Verwirrtheit festmache? Nun, ganz einfach. Am letzten Sonntag gab es in Deutschland auch ein paar Wahlen und obwohl man nicht wirklich gewann (in Thüringen 4%, in Sachsen 0,6%, aber im Saarland ein Minus von 6,3% zu verzeichnen hatte), die eigenen Ziel und Erwartungen jedenfalls nicht aus eigener Kraft erreichte (wenn im Saarland und in Thüringen die CDU-Ministerpräsidenten abgewählt sind, so liegt das nicht so sehr an einer starken SPD, eher am Zuwachs der Grünen und der FDP), sieht man sich als Sieger, weil der Hauptkonkurrent CDU mehr verlor. So eine Argumentation ist zwar nicht gänzlich falsch, aber doch an den Haaren herbeigezogen, wenn man mal überlegt, wo welche Partei vorher stand, und wem es genutzt hat: Den Sozialdemokraten ist nicht gelungen, was man als Erfolg wirklich hätte feiern können; hat man doch nirgends die CDU in Prozenten und Parlamentssitzen überholt.
Aber das alles ist nur ein Aspekt dieser Verwirrtheit, der irrige Glaube, dass die Mehrheit der Wähler so blöde ist zu glauben, dass die SPD tatsächlich nun das umsetzt, was sie an sozialen Programmen verspricht (unter anderem jenen altbekannten Mindestlohn), ist um einiges abgefahrener, wenn man davon ausgeht, dass die deutsche Wählerin und der deutsche Wähler noch nicht so umnachtet sind, dass sie schlichtweg nicht mitbekommen haben, dass die SPD seit 11 Jahren Teil der Bundesregierung ist, also genug Zeit gehabt hätte, irgendeines jener Vorhaben umzusetzen, die man nun anpreist.
Aber vielleicht ist das eine Strategie, deren Sinn mir nur nicht erschließt – vielleicht ist es ja einfach ein Kalkül, dass man mit umgesetzten Vorhaben nicht mehr in der Zukunft werben kann, da sie ja schon Realität sind… ich weiß es nicht, denn ich bin verwirrt, irre durch die Innenstadt einer deutschen Landeshauptstadt. Was ich zunächst nach diesen Erfahrungen für ein weiteres Wahlkampfteam halte, ist nur ein Werbeteam, ich bin heilfroh, nicht noch in Grüne, Linke oder Christdemokraten hereingelaufen zu sein, ich höre sogar zu, nehme den Werbeflyer mit, um ihn routiniert in den nächsten Papierkorb zu werfen und habe Sekunden später komplett vergessen, wofür geworben wurde.

Zurück zu jenem Wahlkampf, nachdem sich meine Verwirrung wieder gelegt hat und nicht mehr vor meinem geistigen Auge einen “Einkaufsbummel” wiederhole, den es vor ein paar Tagen tatsächlich so gegeben hat. Wahlkampf an sich scheint partiell paradox zu sein in seiner Ausführung. Ich weiß nicht, wie viele Parteien dieses Jahr einen sozial-ökologischen Wandel versprechen, es sind wohl auf jeden Fall drei, aber sie alle werben konventionell und erzeugen damit jede Menge Abfall, was schon mal nicht gerade ökologisch ist und aufgrund dieser stumpfen Werbemittel, die ich mit meinem Reallife-Adblock kaum wahrnehme, auch nicht von großer sozialer Kompetenz zeugt, sondern nur davon, dass man es schafft, austauschbare und nichtssagende Parolen auf Papier oder Plastik abzudrucken. Moment, sind alle Parolen austauschbar und nichtssagend? Die Linke scheint zu versuchen, Programm zu vermitteln, jedenfalls auf den Plakaten, auf denen man sich nicht darauf beschränkt, Marx und Engels Lenin und Stalin Gysi und Lafontaine einzeln als Identifikationsköpfe abzubilden, was an sich nicht schlecht ist, wenn man bedenkt, dass beide, so sehr sie auch in jenen Politiktalkshows, deren Niveau gar nicht mal so weit von ihren prekären Pendants entfernt ist, gemobbt werden mögen, sich doch immer ganz gut schlagen, da sie rhetorisch talentiert sind und zu wissen scheinen, wofür sie stehen – weswegen man sie dann von unbegabterer Seite als Populisten beschimpft, was, wenn es nicht so viele Menschen gedankenlos hinnehmen würden, an sich ein großartiger Witz ist: Man stelle sich vor, Sportler würden dafür beschimpft, dass sie schwitzen!

Die Grünen, eine Partei unter vielen, die einen Großteil ihrer einstigen Ideale längst verraten hat und sich damit zu den “etablierten Parteien” zählen darf, einem Ehrenrang, den man in Deutschland eben nur über jenen Schritt der Selbstüberwindung erreicht, warnt, dass hat Adblock wohl nicht adäquat gefiltert, mit einem Castor, der Schwarz-Gelb ist, vor Schwarz-Gelb, also der Ehe zwischen den scheinprüden Unionsparteien, die sich ganz im Stile ihrer ewig abwartenden, ewig vorsichtigen und doch kämpferischen Grand Dame nicht klar positionieren und der sich ihnen so schön an den Hals schmeißenden, billigen, gelben Braut (bei der man weiß, wo sie steht, wie der Möchtegernvizeikanzler kürzlich feststellte). Gleichzeitig aber ist es nicht undenkbar, dass sich jene Grünen zu den noch nicht ganz, aber fast Verlobten, vor denen sie warnen, zu einer ‘Ménage à trois’ ins Bett stehlen, wenn die Resultate am Wahlabend die, wie es eine Vize-Bundesvorsitzende der FDP kürzlich “Unter den Linden” ausdrückte, “Zweckehe” nicht gestatten.
Diese Ménage à trois würde Deutschland unter die Herrschaft eines karibischen Antillenstaates stellen, auch wenn die PolitikerInnen aller beteiligten Parteien, teils, weil es en vogue ist, teils, weil sie es wirklich wollen, karibische Temperaturen gern vermeiden wollen, mal mit Castor, mal anders, nämlich mit Sonne, Luft und Liebe – somit bleibt wohl nur ein wenig mehr Armut als Vorzug dieser Lösung.

Viel anderes ist übrigens auch nach der Wahl nicht möglich, wenn die Demoskopen nicht gänzlich falsch liegen, werden mehrfach erwähnte Unionsparteien, die mich bislang mit ihrem Wahlkampf schön in Frieden gelassen haben, wohl wissend, dass ich familiär vorbelastet bin und zudem mit dem nicht geringen Selbstbewusstsein, die Kraft zu haben (nein, nicht die Kraft, sondern DIE KRAFT), wie sie es auf ihren Wahlplakaten zu verkünden pflegen, wohl an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein, entweder so, wie bisher, mit den so genannten Sozialdemokraten, als Jamaica oder eben Schwarz-Gelb.

Jetzt mag man sich fragen, was denn eigentlich der Unterschied zwischen den realistischen Regierungskonstellationen ist.

Ich will bei Schwarz-Gelb beginnen, da es am einfachsten ist: Die Farben stehen im Vordergrund. Also ist klar, dass Borussia Dortmund die nächsten vier Jahre Deutscher Fussballmeister wird, zudem jeder einen Castor in den Keller bekommt und Schwarzwurzel mit Banane neues deutsches Nationalgericht wird.

Bei Jamaica ist leider nicht klar, was herauskommt, eine Ménage à trois beinhaltet einiges an Sprengkraft, weswegen es hier (wie auch sonst wohl) weitere Antiterrorgesetze geben wird, auch wenn im Wahlkampf von Seiten der Bananen und Gurken andere Absichtserklärungen verbreitet werden. Das Wetter wird sich nicht ändern, jedenfalls nicht kurzfristig, es wäre denkbar (wenn auch nicht zu hoffen), dass die Grünen nach dieser Regierungsbeteiligung den Orden umgehängt bekommen, eine äußerst etablierte Partei zu sein – was sich zuvor in Castoren für alle ausdrücken würde. Die Auswirkungen auf den Fussball sind auch unklar, aber ich glaube fest an mehr karibische Rhythmen in deutschen Stadien.

Schwarz-Rot

bedeutet Tod. Das reimt sich zwar, aber ist zum Glück nicht wahr, denn außer, dass nicht viel geschehen wird, da beide Elemente als ehemalige Volksparteien behaupten können, dass ihre jeweiligen Gesetzesinitiativen mit dem Partner nicht zu machen sind. Absehbar sind Steuererhöhungen und es erscheint gesichert, dass mindestens die SPD geschwächt aus dieser Ehe heraus gehen wird, jedenfalls, was Wählerstimmen angeht. Aber, machen wir uns da nichts vor, Demokratie wäre ohnehin einfacher, wenn nicht ständig gewählt würde, vor allem nicht, wenn die, die da wählen, mündige Bürger sind. Und da beide Partner dieser zweckhaften Zwangsehe zwanghaften Zweckehe das wissen, werden sie ihre Bürgerrechts- und Bildungspolitik entsprechend ausrichten.
Für den Fussball bedeutet das lediglich, dass Eintracht Frankfurt die nächsten 4 Jahre nicht absteigt und versucht werden wird, die gelbe Karte durch eine Schwarze zu ersetzen.


Jetzt mag der ein oder andere behaupten, dass das, was ich da geschrieben habe, grober Unfug sei…

Deutschland – ein halb gescheiterter Rechtsstaat

Also, was macht einen gescheiterten Rechtsstaat so aus? Sinkende Wahlbeteiligung? Auch, aber das ist eher eine gescheiterte Demokratie. Anarchie? Nein, das ist ein “failed state”. Es geht dabei vor allem um eins: Die Gewaltenteilung, das markanteste Merkmal des Rechtsstaates, ist nicht mehr komplett – Legislative und Exekutive sind nicht mehr wirklich getrennt.

Jetzt mag man sagen, dass das alles an der großen Koalition liegt, die so eine atemberaubende Mehrheit hat – wenn SPD und CDU sich einig sind, können selbst einzelne Abweichler in den Fraktionen Gesetze nicht mehr verhindern. Ja, das ist ein Teil des Problems. Aber darauf bin ich nicht aus, es geht mir um die veränderte Praxis der Legislative: Man kann Reden jetzt zu Protokoll geben. Soll heißen: Es findet noch nicht mal mehr eine “richtige” Scheindebatte statt.

Das ganze führt dazu, dass man viel mehr Gesetze machen kann und die Bürger noch nicht mal auf Phoenix oder bei einem Bundestagsbesuch die dazu gemachten Reden hören können – was, kurz gesagt, ein Skandal sondergleichen ist: Es schließt die Öffentlichkeit aus – natürlich nicht ganz, man kann sich die zu Protokoll gegebenen Reden noch durchlesen – aber mal ehrlich: Wer wird das tun? Wer tut das? Hinzu kommt: Wenn man mehr produziert mit der gleichen Anzahl an Mitarbeitern ohne eine substanziell bessere Technik (hier wurde sogar tendenziell noch die Technik verschlechtert), was passiert dann? Richtig, die Qualität leidet. Und damit meine ich nicht nur, dass erfolgreiche Lobbyarbeit so weniger durchsichtig wird.
Die Argumentation für diese Schnellkochtopfgesetze lautet: “In einer komplizierteren Welt.. bla bla bla” – das ist m.E. Schwachsinn, Gesetze müssen Qualität haben und diese bekommen sie nur durch (möglichst breite) Diskussion und Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen.

Somit wird die Legislative, ohnehin schon vom Hirnfick des Fraktionszwanges zur Farce gemacht, endgültig hinfällig – selbst wenn Gesetzesvorhaben aus den Fraktionen der Regierungsparteien kommen, sind sie doch meistens von der Exekutive (sprich der Bundesregierung) gründlich vorgekaut und ausgearbeitet – wir haben also einen halb gescheiterten Rechtsstaat.

Halb gescheitert auch, da der Bundesrat die allermeisten Bundesregierungsgesetze durchwinkt (das ist eine großkoalitionäre Sache) und der Bundespräsident diese unterschreibt – halb gescheitert, weil das Bundesverfassungsgericht zum Glück einiges wieder kippt.

Europawahlen

Die Wahlen sind gelaufen. Verrannt. Das erwartete Ergebnis ist eingetreten, wobei ich sagen muss, dass ich mich nur auf Deutschland konzentriert habe bei meinen Erwartungen – die ganze EU vorherzusehen, ist mir zu komplex.

Es ist ein Desaster für die sogenannten Linken Kräfte, diese Wahl. Die Propagandamaschinerie der Konservativen hat funktioniert – die Hitlersäge war durchschlagender als die Stalinorgel – um einen unangemessenes Bild zu zeichnen.

Es war zu erwarten, dass es so kommen würde. Die SPD, größte sogenannte Linke Partei Deutschlands, deren seit Dekaden fortwährender Rechtsruck in der Öffentlichkeit derzeit als Linksruck verkauft wird, was eine dreiste Lüge ist, hat im – ich nenne es mal Opelprozess – gezeigt, dass sie wirtschaftspolitisch keine Konzepte hat. So gesehen war die Abstrafung nicht unberechtigt. Der Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg, stets als eloquent bezeichnet, weil er nuanciell besser reden kann als sein Vorgänger, hat sozusagen recht behalten – und ja, auch wenn ich mich immer noch als links bezeichne, ich hielt das (von den Gewerkschaften nicht im Geringsten emanizipierte) Verhalten der SPD in dieser leidigen Opelseifenoper ebenfalls für falsch, auf eine sehr durchsichtige Weise. Schlechte Propaganda verdient gerechte Strafe, insbesondere wenn man mal überlegt, welche sozialen Verbesserungen mehr als ein Jahrzehnt SPD Regierungsbeteilungen gebracht hat – ungefähr gar keine.

Gehen wir über zur Linken, die zuletzt stumm wirkte – wie die Grünen zuvor. Die Linke, die in meiner Wahrnehmung sehr unterging – das ist logisch: Vor Wahlen hetzen bürgerliche Medien nun mal nicht gegen die wahren Gegner (wobei ich mir nicht sicher bin, ob Die Linke das wirklich ist) – denn Aufmerksamkeit führt durchaus mal zu Wählerstimmen – ein Übel, das es zu verhindern galt.

Wer jetzt erwartet, das ich von den Grünen anfange, irrt sich: Die Grünen sind nichts als eine zweite FDP – von der Basis und Industriespenden vielleicht abgesehen. Und erinnern wir uns: Die FDP ist eine Einknickerpartei, im Wahlkampf stets Bürgerrechte hochhaltend (um nicht nur vom Kapital gewählt zu werden) – aber dem großen Lauschangriff stimmte man Anno Dazumal dann doch zu. Ähnlich verhält es sich mit den Grünen, einer Partei gealteter Hippies und Möchtegernhippies, die außer ihrer ökologischen Seite genauso wegknickt – ich sage nur Jugoslawienkrieg. Unwählbar.

Zur CDU will ich nicht viele Worte verlieren, ein kleines Lob vielleicht: Man ist zwar inkompetent wie all die anderen, aber (auch wenn man vielleicht das Wählerpotential nicht voll ausschöpfte) dann doch ein Stück geschickter – mag aber auch an besserer Unterstützung durch die wahren Herrscher unserer Demokratie liegen – ich will mich da nicht festlegen – man merkt jedenfalls einen guten Anteil an PR-Profis in den eigenen Reihen, gleiches gilt für die FDP.

Inwiefern dieses Wahlergebnis ein Desaster ist, will ich noch nicht endgültig beurteilen – aber ich halte die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es so ist, für eher hoch. Denn wessen wirtschaftspolitische Ideologie hat in die Krise geführt, die nun eine Weltschuldenkrise werden wird, mit unabschätzbaren Auswirkungen auf die Freiheit des Einzelnen?

Ach, ich lasse es lieber. Ich möchte nur noch eins sagen: Ich halte diese Vergesellschaftlichung von Verlusten (bei gleichzeitiger Vereinzelung[1. der Begriff ist schlecht und ich weiß es] von Gewinnen) für eine neue Dimension des Kapitalismus – es ist die vollkommene Diktatur des Kapitals, eine moderne Sklaverei.
Offen gestanden: Ich kann nicht so viel kotzen wie ich gerne würde, da ich nicht unendlich viel fressen kann!