Deutschland – ein halb gescheiterter Rechtsstaat

Also, was macht einen gescheiterten Rechtsstaat so aus? Sinkende Wahlbeteiligung? Auch, aber das ist eher eine gescheiterte Demokratie. Anarchie? Nein, das ist ein “failed state”. Es geht dabei vor allem um eins: Die Gewaltenteilung, das markanteste Merkmal des Rechtsstaates, ist nicht mehr komplett – Legislative und Exekutive sind nicht mehr wirklich getrennt.

Jetzt mag man sagen, dass das alles an der großen Koalition liegt, die so eine atemberaubende Mehrheit hat – wenn SPD und CDU sich einig sind, können selbst einzelne Abweichler in den Fraktionen Gesetze nicht mehr verhindern. Ja, das ist ein Teil des Problems. Aber darauf bin ich nicht aus, es geht mir um die veränderte Praxis der Legislative: Man kann Reden jetzt zu Protokoll geben. Soll heißen: Es findet noch nicht mal mehr eine “richtige” Scheindebatte statt.

Das ganze führt dazu, dass man viel mehr Gesetze machen kann und die Bürger noch nicht mal auf Phoenix oder bei einem Bundestagsbesuch die dazu gemachten Reden hören können – was, kurz gesagt, ein Skandal sondergleichen ist: Es schließt die Öffentlichkeit aus – natürlich nicht ganz, man kann sich die zu Protokoll gegebenen Reden noch durchlesen – aber mal ehrlich: Wer wird das tun? Wer tut das? Hinzu kommt: Wenn man mehr produziert mit der gleichen Anzahl an Mitarbeitern ohne eine substanziell bessere Technik (hier wurde sogar tendenziell noch die Technik verschlechtert), was passiert dann? Richtig, die Qualität leidet. Und damit meine ich nicht nur, dass erfolgreiche Lobbyarbeit so weniger durchsichtig wird.
Die Argumentation für diese Schnellkochtopfgesetze lautet: “In einer komplizierteren Welt.. bla bla bla” – das ist m.E. Schwachsinn, Gesetze müssen Qualität haben und diese bekommen sie nur durch (möglichst breite) Diskussion und Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen.

Somit wird die Legislative, ohnehin schon vom Hirnfick des Fraktionszwanges zur Farce gemacht, endgültig hinfällig – selbst wenn Gesetzesvorhaben aus den Fraktionen der Regierungsparteien kommen, sind sie doch meistens von der Exekutive (sprich der Bundesregierung) gründlich vorgekaut und ausgearbeitet – wir haben also einen halb gescheiterten Rechtsstaat.

Halb gescheitert auch, da der Bundesrat die allermeisten Bundesregierungsgesetze durchwinkt (das ist eine großkoalitionäre Sache) und der Bundespräsident diese unterschreibt – halb gescheitert, weil das Bundesverfassungsgericht zum Glück einiges wieder kippt.