Facebook hat den Messaging-Service Whatsapp für absurde 19 Mio. USD gekauft ((Es existiert ein Tumblr, der die Absurdität illustriert.)) , und meine Timeline ist nun voll von Artikeln, die Alternativen zu Whatsapp aufzeigen, u.a. die proprietäre, verschlüsselte Mobile Messaging App Threema.
Da ich persönlich Whatsapp nach den ersten Snowden-Leaks verlassen habe, freue ich mich natürlich, dass Menschen tatsächlich darüber nachdenken, Whatsapp sein zu lassen. Ich habe das Phänomen Whatsapp zwar irgendwie mitgemacht und auch verstanden – der Erfolg liegt in der Simplizität, die Whatsapp zu einem sehr simplen SMS-Ersatz macht – aber es war für mich immer auch mit argen Schmerzen verbunden. Ich konnte nicht umhin, den Adressbook-Upload nicht ganz so super zu finden ((Damals war zudem Whatsapp auf Android noch komplett kostenlos, so dass ich mir schon Gedanken machte, was denn da das Geschäftsmodell sein sollte.)), die Ketten-Messages waren auch ätzend, vor allem aber war es das Whatsapp-Konzept, nur auf einem Gerät zugleich zu funktionieren: Nur auf dem Smartphone. Die Situation, vor einem iPad oder gar einem PC zu sitzen, und das ständig vibrierende Smartphone immer wieder in die Hand zu nehmen um letztlich über das Internet zu kommunizieren, fand ich einfach nur furchtbar ((Die Schmerzen waren so stark, dass ich für eine kurze Zeit tatsächlich Whatsapp auf dem iPad über verschlungene Wege installierte, um dann immer hin und her zu “aktivieren”.)). Es waren die Zeiten von nicht wirklich tollen Smartphones mit Android 2.x, aber auch heute mag ich es nicht, mein top-notch-LG G2 in die Hand zu nehmen, da irgendjemand meint, mich dazu zwingen zu müssen.
Als ich mich dazu entschied, Whatsapp nicht mehr zu nutzen, suchte ich nach einer vernünftigen Alternative mit Web-Interface, ohne mit irgendeinem weiterem Dienst meine Daten zu teilen. So bekamen Facebook Messenger und Google Talk/Hangouts einen prominenten Platz auf meinem Smartphone-Homescreen.
Seit Mitte letzten Jahres ist viel Bewegung in dem mobilen Markt für “sicheres” Messaging gekommen – jedenfalls auf Seiten der App-Entwickler. Seit Anfang dieses Jahres setze ich konsequent auf OTR mit allen Menschen, die technisch flexibel genug sind, dass man ihnen die Idee schnell erklären kann – zwar vor allem über Facebook und Google-Server, aber immerhin. ((ChatSecure hat mir diesen Schritt auch mobil ermöglicht – auf dem PC ist Pidgin eine gute Wahl, für Mac-Freunde, die Probleme mit GTK+-Applikationen haben, gibt es auch Adium.)) Derzeit ist Threema am populärsten. Gestern hat mich ein guter Freund kontaktiert, mit dem ich, sensibilisiert durch den Konsum von 30C3-Talks mal über sichereres Messaging (und somit durch freak show-Konsum auch Threema) gesprochen habe – er hat sich als armer Praktikant nun Threema gekauft. Nachdem ich mir auch Threema gegönnt hatte, kontaktierte mich dann ein weiterer Freund, da ich mich aus Convenience-Gründen über meine E-Mail-Adresse finden lasse. Wenn SZ.de also sinngemäß schreibt, das Threema eine Nutzerexplosion erlebt, klingt das für mich äußerst plausibel. Das ist zwar irgendwie doof, weil Threema aufgrund seiner proprietären, zentrierten Natur nicht die optimale Lösung sein kann; aber in Ermangelung besserer, “fertiger” Alternativen ((Dieser Blogpost von Joshua Lund scheint mir eine gute Anlaufstelle zu sein, die in verständlicher englischer Sprache die verschiedenen Alternativen aufzeigt.)), ist das eine nicht ganz so schlechte Entwicklung. An dieser Stelle daher ein erstes, kleines “Danke, Facebook!”
Dennoch: Die Menschen, die nun meine Threema-Kontakte darstellen sind irgendwie dann doch “Nerds im weiteren Sinne” – keine Bilderbuchnerds, aber Technikenthusiasten. Und ich nehme auch an, dass diejenigen, die nun in den Kommentarspalten ihre German Facebook Angst kundtun ((Die ich, falls der Titel und der bisherige Text dies noch nicht genug kundtun, einfach nur lächerlich finde, da es schon zuvor hunderttausend Gründe gegen Whatsapp gab, welches lange unverschlüsselt war und bis heute durch den Einsatz von RC4 effektiv für die NSA leicht analysierbar ist.)) und somit fieberhaft Whatsapp verlassen möchten, auch nicht die Mehrheit darstellen, sondern nur eine lärmende Minderheit. Aber dennoch: Wenn genug dieser Menschen vor dem Löschen ihres Whatsapp-Kontos noch ihre dortigen Kontakte anschreiben, kann hier eine spürbare, eventuell empfindliche Nutzerwanderung zu einem anderen Dienst entstehen. Vielleicht sogar so etwas wie eine allgemeine Sensibilisierung in Datensicherheitsfragen.
Aber das ist dann wohl doch eher Träumerei.