ich

mein eskapismus hat mich weit getrieben, ich lebe niemals dort, wo ich mich aufhalte, ich frage mich fast, ob ich das jemals getan habe und kann die frage immer erst beantworten, wenn mir eingefallen ist, dass ich die glücklichen phasen meines lebens, in denen das nicht so war, erfolgreich verdrängt habe. ich träume von telefonaten mit menschen, die ich jahre nicht gesehen habe und die ich damals nicht mochte und drücke nicht immer den rufannahmeknopf wenn die gegenwart anruft. ich denke über kochen nach, aber mache höchstens mal nudeln. ich plane, bilder zu malen und bemale nur gelegentlich mal telefonzettel mit einem kugelschreiber.
ich hoffe, nicht zu scheitern, aber mache kaum etwas, das ein scheitern verhindern könnte.
jedes zweite mal, wenn ich alkohol getrunken habe, fährt mir am nächsten morgen der gedanke durchs katzenjammernde hirn, doch nie wieder alkohol zu trinken. ich nehme mir vor, kontakt zu halten, schreibe tatsächlich ein paar sätze, die mir dann aber nicht gefallen, so dass ich sie nicht abschicke, bis ich vergessen habe, dass ich sie jemals schrieb – anrufen kann ich nicht, weil ich niemanden stören möchte, und ich (gefühlt) immer nur dann angerufen werde, wenn es mich gerade nervt. ich nehme mir vor, ehrlich meine “notizen über den tag” zu schreiben, aber wenn ich dann über das “ehrlich” nachdenke, schreibe ich lieber gar nichts. ich überlege, eine geschichte zu schreiben, in der ein samenspender zufällig eine frau kennenlernt, die, wie sich dann herausstellt, sein kind hat – eine geschichte, so kitschig und witzig, dass es ein til schweiger-film sein könnte – schreibe aber nur die idee in stichworten auf und arbeite danach an einem weiteren “szene” text, der widerum nicht zu den vorhergehenden passt.
ich verliebe mich selten, und wenn ich mich verliebe, dann nicht in menschen, sondern in idealisierte abbilder dieser menschen, die nur in meinem kopf existieren. ich nehme mir vor, freundlicher zu sein, aber da ich mir auch vornehme, ehrlicher zu sein, funktioniert dieser vorsatz in der realität eher wenig – die freundlichkeit drückt sich bestenfalls in der abwesenheit von “schmähwörtern” aus. ich verachte alle die lästern und falsch sind – und habe selbst oft eine doppelte zunge.
ich verachte mich.