man kann nichts machen, denkt frank, denn er ist wieder auf dem weg. in den nächsten tagen wird er viel unterwegs sein, so viel ist klar. heute abend wird ihn der zug noch zur verwandschaft bringen. morgen zu einem guten freund. und dann, übermorgen, zurück dahin, wo er glaubt hin zu gehören.
das heute ist ihm egal, es wird vergehen, vermutlich mit ein paar bieren und schlechter musik – danach sieht es jedenfalls aus. morgen dann verkatert aufstehen, ein wenig radeln, die großeltern auf dem friedhof besuchen.. und noch irgendwas. wann er de
an besucht, weiß er nicht, entweder morgen, oder übermorgen. vermutlich ist übermorgen besser, bevor es gen norden geht, ein kaffee am hauptbahnhof zu ddorf.
eigentlich bräuchte all das, was frank in der letzten woche getan hat und das was noch anliegt, bevor es zurück geht an die heimische ostsee, mehr zeit. aber zeit ist geld und frank muss zurück, denkt er jedenfalls, oder besser: er fühlt es.
die ankunft muss nicht schwer werden. sie kann es aber, genauso wie sie leicht und schön werden kann. das ist immer so, alles kann einfach sein, alles kann schwer sein, mag man jetzt denken. aber darum macht sich frank keine sorgen.
frank fürchtet sich davor, carla wiederzusehen. “ich will sie nicht”, denkt er. und dann ist da die, die er jetzt zu wollen glaubt, auch wenn er das zuletzt vor sich selbst und anderen verleugnet haben mag. stella. mit ihr zu reden macht frank glücklich. nein, weniger noch, es reicht worte zu lesen, die sie schreibt, und franks herz macht freudensprünge, sobald er sich anschickt ihr bild zu betrachten oder sie selbst zu sehen.
freudensprünge, bis es an die decke stößt, der kopf schmerzt und er verstört am boden sitzt.
schon rast der regionalexpress durch die weiten ebenen des bevölkerungsreichsten bundeslands deutschlands. den zug hat frank nur knapp erreicht, aber das spielt keine rolle – es ist alles noch mal gut gegangen, wieder einmal. franks gedanken kreisen um die seltsamen träume der letzten nacht, die fern zurück liegt, weit weg, ein schimmer am horizont sind die träume noch, ein dchimmer an einem horizont, der fast vollständig von den gebäuden des tages verdeckt ist, es ist klar, wenn frank nicht auf diese träume zugeht, wird er sie weder sehen noch entwirren können, wobei die entwirrung von träumen ohnehin eine herkulesaufgabe zu sein scheint – es ist zu klar, dass kein traum, wenn man erwacht ist, mehr einen klaren sinn hat, da man plötzlich in einer anderen zeit lebt, ein einer anderen welt, vielleicht vergleichbar mit den problemen beim versuch alte, in stein gehauene, überlieferte riten ferner und längst vergangener und vergessener kulturen zu verstehen.
und frank erinnert nur fetzen. ein traum hat wohl irgendetwas mit seinem tod zu tun, er wird in diesen traum wach und stellt fest, dass er bereits mehrere jahre tot ist, die menschen auf die frank trifft sind seltsam, alles ist verfallen, auch die sprache ist nur noch rudimentär, ein schock für frank, wenn man es so nennen will. und dann, eine wendung, das ganze, wäre es ein film würde man von setting sprechen, ist anders, und auf frank kommt eine person zu, die er mal kannte; es handelt sich seine ex-freundin. auch sie ist angegriffen wie franks seele, sie sieht geschlagen aus, hat ein blaues auge und ihr fehlen auf der rechten seite ein paar zähne, ihre kleidung ist zerfetzt. kurz: ihr ist wohl das fürchterlichste widerfahren, was einer frau widerfahren kann: sie wurde geschändet. frank umarmt sie, wohl aus mitleid, denn geliebt hat er sie schon nicht mehr, als er noch mit ihr zusammen war, um ihr schutz zu bieten, und sie drängt zum aufbruch. man flieht durch eine frank nicht wirklich bekannte stadt, die aber gewisse merkmale aufweist, die frank sie spontan im ruhrgebiet verorten lassen, es ist ein endloses weglaufen ohne ziel und ohne sinn (es gibt keine verfolger außer ihrer erinnerung).
dann ist da ein weiteres bild in franks kopf, er kann es nicht wirklich nicht zuordnen, vielleicht stammt es aus einem traum im traum, an den er sich nicht mehr erinnert, es ist eine begegnung mit stella, an einem Strand, den er vor kurzem ‘entdeckte’, man liegt nur so herum, umschlungen und sieht sorglos einem schiff beim sinken zu. das nächste bild ist dann wieder franks zerschundene ex – danach wachte frank auf, stand auf, verwirrt, fiel auf dem weg zum frühstückstisch (an dem er, wie schon in den tagen zuvor, nur 3 tassen kaffee in sich hereinschüttete) fast die treppe herunter.
der zug hat die fahrtrichtung gewechselt und in franks ohren besingt eine vertraute stimme ihren ruin, was frank prompt an seine lebenssituation erinnert, er hat die wahl zwischen ruin (der ihm bleiben wird, ohnehin) und aufbegehren gegen all die ständigen selbstmordgedanken, die süchte, trägheit und faulheit, hin zu einer existenz mit dem zeug zur egenständigkeit. das heißt, er hat keine wahl mehr, er hat sich entschieden, er will mit sich gegen sich für sch kämpfen, so schizophren das klingen mag.
aber diese gedanken werden auch bald an den rand gedrängt von den eindrücken der an sich vertrauten durchquerung jenes molochs, welches sich ruhrgebiet nennt. schon immer haben frank diese fahrten durch dieses gebiet mit eindrücken versorgt und da die letzte fahrt mehrere monate zurückliegt, es dunkel ist und man nur die menschen auf den schnöden, breiten bahnsteigen sieht, ist der eindruck vielleicht noch stärker als sonst. nicht dass es schockierend wäre, wie die verhältnisse in den vorstädten new york citys, die man sieht wenn man von jfk nach manhattan fährt, die wohl auch nur so beeindrucken, da es einen nicht schwachen kontrast gibt – wohlstand hier, armut dort, nein, es ist nicht armut, sondern die fühlbare tumbheit vieler hier, dritte generation “alkoholkrank, sozialhilfe & co. kg”, diese abgestumpftheit. es geht nicht ums lästern, nein, frank würde diese region wohl dem vergreistem mittelgebirge vorziehen, in dem seine eltern existieren, auch wenn es hier nicht besonders schön sein mag, ist es gewiss nicht so langweilig.
im letzten zug des tages (für frank) dann eine art flashback, dass er einer nicht gerade magersüchtigen jungen frau zu verdanken hat, die ihm gegenüber platz nimmt – eine erinnerung an eine episode die sich vor über einem monat und 1700 höhenmeter höher abspielte. eine frau in lila, ähnlicher statur saß ihm im zug zwischen samedan und chur gegenüber.
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im zug zurück an die ostsee, der durch die lande jagt, ein intercity, dessen sitze frank, obwohl sie geräumig sind, unbequem findet, versucht er proust zu lesen, aber es gelingt nicht. ständig sind da andere gedanken und zudem gelingt es ihm nicht, eine haltung einzunehmen, in der er sich nicht verspannt fühlt.
verspannt ist er, so viel ist sicher, nicht wegen dem, was hinter ihm liegt, sondern aufgrund jener ereignisse die vor ihm liegen oder die vor ihm liegen können, er kann nicht aufhören, sich seine ankunft vorzustellen. wer wird heute abend in der vertrauten kneipe sein, wenn frank sich dort einfindet? und wie werden welche gespräche verlaufen? es ist unsinn sich so den kopf zu zerbrechen, über etwas das nicht klar ist, sondern sich fügen wird, wie es sich fügen wird – aber er kann nicht aufhören, mir gedanken zu machen. die letzten tage hingegen, klar, da geschehen, bereiten ihm kein kopfzerbrechen, sie sind angefüllt von angenehmen gesprächen, was frank vielleicht konstatieren muss, ist dass er, seinen verwandten seine gefühle über mein derzeitiges leben nicht ganz offen bekannt hat, aber, so entschuldigt er dieses verhalten, was hätte es geholfen? auch im gespräch mit dem guten alten dean, der bald für ein paar monate oder sogar ein jahr auf eine japanische insel entflieht, die okinawa heißt, den frank zum letzten mal für längere zeit gesehen hat, weswegen er ihn zum essen eingeladen hat, was etwas ist, das er höchst selten macht, hat er ein paar düstere seiten seiner geschichte ausgelassen. frank will sich nicht mehr damit aufhalten, sich auf hohem niveau zu beklagen, will seine vertrauten nicht mit dingen belasten, die nichts als krankhaft sind, sondern dafür kämpfen, dass die farben der bilder, die man nach seinen tagen malen könnte, wieder heller und froher werden; die düsternis soll, das ist sein erklärter wille, schwinden. daran will er sich auch jetzt halten: es ist ein großes glück, so tüchtige verwandte zu haben und so gute freunde und das ist nicht euphemisiert, es ist wahrhaftig so.