Das Sitzen vorm leeren Eingabefeld

Du möchtest schreiben. Aber du hast kein Thema. Dein privates Leben berührt dich selbst nur wenig und zudem ist es nicht von Interesse. Du musst dich auch nicht mehr seelisch bis auf die Knochen ausziehen, das hast du oft genug getan. Die Weltsituation? Es ist schwer eine Auswahl zu treffen, du weißt nicht, was dich am meisten ankotzt. Und sonst? Musik? Hm.. Nein, heute nicht. Kunst? Lang nicht mehr mit beschäftigt, von daher nicht so im Thema drin. Könnte man machen, aber ist eher anstrengend – und Anstrengung will man nicht. Willst ja nur schreiben.

Dein verdammtes Eingabefeld füllt sich aber immer noch nicht. Du könntest dir eine Geschichte ausdenken, aber worüber? Das wird dann entweder absurd, oder doch persönlich, vielleicht erkennt das dann irgendjemand wieder. Wenn es denn jemand liest. Nun, ob etwas gelesen wird oder nicht, ist dir eh längst egal. Nicht wirklich, klar, manchmal ist es dir lieber das etwas nicht gelesen wird, als dass es von den Falschen gelesen wird.

Immer noch Leere. Ein erster Satz: “Das Leben an sich..” Nein, lieber schnell löschen, was soll denn so ein Gemeinplatz. Ein Scheissanfang führt bekanntlich auch meistens in der Konsequenz zu einem Scheisstext. Hm, was dann? Eine Zeitung gegriffen. Schlagzeilen. Erster Gedanke: In dieser Lokalpresse steht auch nur Schrott drin, wie immer. Artikel ohne Tiefgang, allenfalls Appetithappen für ein richtiges Medium. “Huber stolpert über BayernLB”[1. Die Schlagzeilen stammen aus den heutigen Kieler Nachrichten. Nur damit das geklärt wäre.]. Du stellst dir aus Spaß das Ganze bildlich vor, ein riesenhafter Huber – aber kein Riesenhuber – stolpert über eine BayernLB. Eben schnell googlen im Internet suchen und nachschauen, wie denn das Gebäude dieser Landesbank aussieht. Bild ist fertig, aber das macht immer noch keinen Text. Überhaupt: Warum immer diese blöden Überschriften, diese krampfhafte Verbildlichung? Du siehst nach, ob es nicht noch mehr davon gibt. “In den Häfen wird es stiller” – ein Bild welches nicht ganz so dahergeholt ist. Wer den Lärm eines Hafens kennt… Dennoch: Man könnte auch nüchtern von einer sich verschlechternden Auftragssituation – obwohl, zu technisch. Geht also schon ok, der Bilderkrams. Also kannst du darüber schon mal nicht mehr schreiben.

Ein weiterer Versuch: “Der Schmerz der Zeit” – ein plötzlicher Einfall, ohne das du dazu einen Einfall hättest, der Substanz hat. Früher, vor 5 Jahren, auch noch vor Dreien, als du noch naiver warst als du es jetzt bist (nahezu unvorstellbar!) und zudem noch um einiges verträumter, hättest du aus so etwas unter Garantie ohne allzu viel Mühe ein Gedicht gebaut. Ein Satz gedacht, hereingefühlt, mehr gedrechselt: Vers um Vers. Vielleicht solltest du mal Sachen aus den Jahren durchgehen und Neufassungen versuchen, denkst du.

Aber jetzt? So etwas machen? Nein, du möchtest ja – du errinnerst dich nur noch dunkel – “nur schreiben”. Ein paar Sätze. Egal wozu.

Du beginnst: “Das Sitzen vorm leeren Eingabefeld..”. Warum eigentlich nicht.